Verdachtsabklärung und Intervention

Der Umgang mit einer Vermutung

Kinder und Jugendliche, die in der Missbrauchsdynamik gefangen sind, sind in der Regel sehr stark an ein Schweigegebot gebunden; ihre Hilferufe finden meist nonverbal statt. Dabei gibt es keine eindeutigen Symptome, die es erleichtern würden, sexuellen Missbrauch zu erkennen. Oft lassen plötzliche Verhaltensänderungen und eine Reihe anderer Hinweise die Vermutung auf sexuellen Missbrauch entstehen. 

Was tun bei einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch? 

Bewahren Sie Ruhe! 

Machen Sie sich klar, dass Ihr Bedürfnis, einen Verdacht so schnell wie möglich abzuklären, nicht das ist, was ein betroffenes Mädchen* braucht: Sie braucht Zeit, um Vertrauen zu fassen und über das sprechen zu können, was ihr geschieht. Überstürztes Handeln kann dem Mädchen* oder der jungen Frau* oft mehr schaden als nutzen. 

Bleiben Sie nicht allein! 

Um einem betroffenen Mädchen* zu helfen, braucht es in der Regel mehr als eine Person. Holen Sie sich z.B. Unterstützung bei KollegInnen, die Ihr Vertrauen genießen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. 

Achten Sie auf Ihre eigenen Grenzen! 

Manchmal gibt es Grenzen oder Ängste und andere belastende Gefühle, mit denen Sie während der Verdachtsabklärung nur sehr schwer umgehen können. Wenn die Situation für Sie selbst zu belastend wird, sprechen Sie eine(n) KollegIn an, die oder der Sie hier vertreten kann. 

Eventuell weitere Unterstützer*innen mit einbeziehen! 

Wenn möglich sollte der oder die Vorgesetzte sowie weitere Teammitglieder in die Verdachtsabklärung miteinbezogen werden, damit Ihre Entscheidungen von der Einrichtung mitgetragen wird und Sie die große Verantwortung teilen können. 

Das Mädchen* nicht sofort mit Ihrem Missbrauchsverdacht konfrontieren! 

Betroffene Mädchen* haben ein gutes Gespür für ihr Gegenüber entwickeln müssen und merken oft schnell, wenn Sie zu sehr auf die Klärung Ihrer Verdachtsmomente drängen. Stattdessen ist es wichtig, sich dem Mädchen* immer wieder als Vertrauensperson anzubieten und zu signalisieren, dass sie auch bei Problemen da sind. Machen Sie deutlich, dass Sie die Not wahrnehmen und weiterhelfen wollen. 

Versprechen Sie dem Mädchen* kein Stillschweigen! 

Sie werden den Schutz eines Mädchen*s in der Regel nicht alleine herstellen können. Versprechen Sie daher kein Stillschweigen, ansonsten können Sie in die Lage kommen, das Vertrauen des Mädchen*s erneut brechen zu müssen. 

Sie sollten die verdächtige Person nicht konfrontieren! 

Täter*innen verleugnen in den allermeisten Fällen die Tat und zeigen wenig Einsicht in die Unrechtmäßigkeit ihres Handelns. Mit einer verfrühten Konfrontation erreichen Sie deshalb meist nur, dass das Mädchen* oder die junge Frau* noch mehr zur Geheimhaltung gezwungen wird. Auch bei einem erhärteten Verdacht ist es nicht Ihre Aufgabe, den Täter oder die Täterin zu konfrontieren. 

Sie haben keine Pflicht zur Anzeige! 

Auch wenn es wichtig ist, so viele Täter*innen wie möglich dem Rechtssystem zuzuführen, so muss trotzdem immer auch die Frage gestellt werden, ob eine Strafanzeige für das Opfer zu dem gegebenen Zeitpunkt eher schädlich ist oder ob die Anzeige eine Möglichkeit ist, das Mädchen* zu schützen. 

Wenden Sie sich an eine Fachberatungsstelle! – Vereinbaren Sie einen Beratungstermin mit uns! 

Gemeinsam können wir überlegen, wie Ihr Verdacht einzuschätzen ist, welche Handlungsschritte der vorliegende individuelle Fall erfordert und wann der Zeitpunkt gekommen ist, aufgrund einer evtl. stattfindenden Kindeswohlgefährdung (§8a SGB VIII) einen Helferkreis zu initiieren und das Jugendamt oder andere Stellen einzuschalten.